Die Geschichte der Sonnenuhr

Es ist schwer Angaben zu machen über das Alter der Sonnenuhr. Wir wissen jedenfalls, daß sie schon vor 4000 Jahren bei den Ägyptern und den Babyloniern in hohem Ansehen stand. Über all die Jahrtausende hat sie ihren Dienst getan.

Als dann die Räderuhr aufkam, versuchte man, die Uhr so herzustellen, daß sie so genau ging wie die scheinbar ideal genau gehende Sonnenuhr. Das gelang nicht, denn niemand suchte den Fehler bei der Sonne. So unerschütterlich wie ein Dogma stand die gleichförmige Bewegung fest. Nur auf einem Kreis als der idealsten Kurve konnte diese Bewegung ablaufen. Jedoch war schon lange bekannt, daß die Planeten auf ihren Bahnen Schleifen durchlaufen, die sich nicht so einfach erklären ließen. Es muß zur Ehre der alten Astronomen gesagt werden, daß sie durch Überlagerung weiterer Kreisbewegungen, durch Zykloiden, eine scheinbare Erklärung fanden. Sie hatten dieses System so ausgebaut, daß sich damit die Bewegungen der Himmelskörper sowie Finsternisse hinlänglich genau vorausberechen ließen.

Je genauer man aber die Berechnung der tatsächlichen Bewegung anpassen wollte, desto komplizierter wurde das System, desto mehr Kreise mußten ineinander geschlungen werden und desto unwahrscheinlicher wurde die ganze Erklärung. Selbst Kepler hatte dies noch versucht. Das Revolutionierende in seiner Idee lag mit darin, daß er sich von dem Dogma der Kreisbewegung gelöst hatte und erkannte, daß die Bewegung der Himmelkörper auf Ellipsenbahnen basieren. Die ellipsenförmige Bahn der Erde um die Sonne ist es auch, die allen Sonnenuhrmachern zu schaffen macht. Die unterschiedliche Entfernung zur Sonne hat ja auch eine unterschiedliche Geschwindigkeit zur Folge. Aber selbst wenn die Erde gleichmäßige Geschwindigkeit hätte würde die Schiefe der Ekliptik diese Bewegung verzerren. Aus der Summe beider Fehler erhält man die sogenannte Zeitgleichung. Sie gibt an, um wieviele Minuten jede normale Sonnenuhr an einem bestimmten Tag vor oder nachgeht. Dieser Wert wächst bis zu einer Viertelstunde an. Wer also von der Sonnenuhr genaue Zeit erhalten will, muß zuerst zu dem abgelesenen Wert den für diesen Tag gültigen Betrag der Zeitgleichung dazuzählen oder abziehen.

 

Die Zeitgleichung läßt sich auch als senkrechte Schleife, als sogenannte Lemniskate darstellen. Man findet sie oft auf Zifferblättern von Äquatorial-Sonnenuhren.

Man mag nun sagen, eine Sonnenuhr sei nur bestimmt, die wahre Sonnenzeit anzuzeigen. Um hieraus die Normalzeit zu erhalten, soll mit Hilfe von Längengraddifferenz und Zeitgleichung umgerechnet werden. Es muß aber jeden Sonnenuhrmacher reizen, eine Form zu finden, die diese Umrechnung selbst durchführt und die alle Differenzen einer Sonnenuhr kompensiert.

Die größte Schwierigkeit liegt wohl darin: Jeden Punkt am Himmel, an dem die Sonne zwischen Sommersonnwende und Wintersonnwende steht, wird sie zwischen Wintersonnwende und Sommersonnwende noch einmal erreichen. Dann aber zu einer anderen Uhrzeit. Ginge die Uhr auch von Sommersonnwende bis Wintersonnwende richtig so müßte sie doch von Wintersonnwende bis Sommersonnwende falsch gehen. Die Uhr kann ja nicht selbst unterscheiden, ob Frühling oder Herbst ist.

Es wurden nun manche Versuche gemacht, diesen Mangel zu beheben, das heißt, eine Uhr zu bauen, die die Zeitgleichung selbsttätig kompensiert. Dies führt, sofern der dünne Stab als Schattenwerfer beibehalten wird, zu einem recht komplizierten, unübersichtlichen Zifferblatt. Oder aber muß vor der Ablesung erst der für diesen Tag gültigen Betrag der Zeitgleichung eingestellt werden.

Es gibt Sonnenuhren, bei denen das Zifferblatt in der Form eines zylindrischen Mantels um den Schattenwerfer angeordnet ist. In der Zeit von Frühlings und Herbstanfang wirft aber das eine Ende des Zifferblattes seinen Schatten auf die gegenüberliegende Seite, so daß in dieser Zeit morgens und abends nicht abgelesen werden kann. Auch an einer Sonnenuhr an senkrechter Wand kann die Zeit nicht den ganzen Tag über abgelesen werden, da auch bei idealer Südlage die Wand im Sommer weit weniger als 12 Stunden lang beschienen wird.

Eine andere Form ist die Äquatorialuhr, bei der das Zifferblatt in der Ebene des Äquators angebracht ist. Im Herbst und Winter wird aber dieses Zifferblatt nur auf der Unterseite beschienen, und in der Zeit der Tag und Nachtgleiche liefert es überhaupt keinen Schatten.

Sie sehen viele verschiedenen Formen, aber keine davon ist ohne Mangel. Ich habe mich nun bemüht, eine Sonnenuhr zu bauen, die diese Mängel nicht hat. Folgende 3 Bedingungen sollten erfüllt sein:

  1. einfachste Ablesung
  2. kein Eigenschatten, d.h. bei ungehinderter Sonneneinstrahlung in jedem Augenblick abzulesen
  3. genaue Zeit unter Berücksichtigung aller Faktoren, die die Ablesung beeinflussen

Dass diese Bedingungen erfüllt wurden, das hat sich anläßlich eines internationalen Wettbewerbes in Sonnenuhren gezeigt, bei dem die Präzisions-Sonnenuhr als eine der drei besten Lösungen der amerikanischen, astronomisch wissenschaftlichen Zeitschrift "Sky and Telescope" veröffentlicht wurde. Die Kompensation der Zeitgleichung ist so vollkommen, daß es bei dieser Form als einziger einen Sinn hat, Minutenstriche anzubringen, da eine Ablesung auf die Minute möglich ist.